Alternativen sind gefragt! Ergebnisse aus vielen IGF-Projekten schaffen Know-how für besserschmeckende, verträgliche Lebensmittel bei Zöliakie und Glutensensitivität



Nicht nur Brot und Brötchen, sondern auch Müsli, Pasta, Kuchen oder Bier – alle diese Lebensmittel enthalten in ihren üblichen Rezepturen Gluten, ein Klebereiweiß, das in häufig verwendeten Getreidearten wie Weizen, Roggen, Hafer und Gerste enthalten ist. Bei einer glutenfreien Ernährung müssen diese Lebensmittel durch Alternativen ersetzt werden. Für viele Menschen ist der strenge Verzicht auf glutenhaltige Produkte zwingend: Etwa eine halbe Million Deutsche und weltweit etwa ein Prozent der Bevölkerung ist Schätzungen zufolge an Zöliakie erkrankt, eine Autoimmunerkrankung, bei der der Verzehr von glutenhaltigen Lebensmitteln zu entzündlichen Veränderungen der Dünndarmschleimhaut führt. Eine glutenfreie Diät kann auch langfristig bei Menschen hilfreich sein, bei denen eine Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (NCGS, auch NCWS (non-celiac wheat sensitivity)) vorliegt: Gluten und Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI) können Auslöser für die damit verbundenen reizdarmtypischen Beschwerden sein. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 10 Prozent der Bevölkerung von NCGS betroffen sein könnten.

  • Hoher Bedarf an glutenfreien Lebensmitteln


    Für Zöliakie- sowie für NCGS-Betroffene stellen glutenfreie Lebensmittel daher eine wesentliche Erleichterung beim Lebensmitteleinkauf dar. Doch im Vergleich zu glutenhaltigen Lebensmitteln weisen glutenfreie Produkte häufig noch Qualitätsmängel auf: Besonders bei Brot weichen sowohl das Aroma als auch die Textur aufgrund der unterschiedlichen Inhaltsstoffe und deren funktionellen Eigenschaften voneinander ab – die jahrhundertelange Erfahrung mit klassischen Brotgetreidemehlen lässt sich nicht so schnell mit glutenfreien Mehlen aufholen.

  • IGF-Projekte: Bedeutende Mosaiksteine


    Vor diesem Hintergrund koordiniert der FEI bereits seit über 20 Jahren IGF-Projekte, die sich mit der Thematik beschäftigen – sie waren und sind bedeutende Mosaiksteine bei der Entwicklung und Verbesserung von glutenfreien Lebensmitteln. Folgende Projekte, die in den letzten acht Jahren erfolgreich an acht verschiedenen Forschungseinrichtungen deutschlandweit durchgeführt wurden, sind hier besonders hervorzuheben – mit jeweils verschiedenen Aspekte im Fokus:
    • AiF 16847 N: Wie können Pseudocerealien wie Amaranth, Buchweizen und Quinoa für die Herstellung glutenfreier Backwaren genutzt werden? Die Forscher untersuchten die rheologischen und backtechnologischen Eigenschaften dieser Pseudocerealien und zeigten erfolgreich auf, dass sich die Qualität der Backwaren durch eine gezielte Fermentation steigern ließ. Sie schafften vertiefte Kenntnisse über die Zusammensetzung von Mahlfraktionen und deren Auswirkung auf die Brotqualität. Die 2013 veröffentlichten Ergebnisse konnten unmittelbar in die Entwicklung von Sauerteigen und die Herstellung glutenfreier Backwaren fließen.
    • AiF 16907 N: Welchen Einfluss haben redoxreaktive Backzutaten und Enzyme auf die Verarbeitbarkeit und Textur von glutenfreien Teigen und Backwaren? Dies zu untersuchen, stand im Fokus dieses 2014 erfolgreich abgeschlossenen Projektes. Anhand von Reis- und Buchweizen-Mischungen konnte u.a. gezeigt werden, dass mit dem Einsatz geeigneter Starterkulturen die Backeigenschaften von Broten deutlich verbessert werden kann. Durch das bessere Verständnis der Vorgänge in glutenfreien Teigen können entsprechende Backwaren nunmehr gezielter optimiert werden.
    • AiF 16971 N: Von Zöliakie betroffene Menschen müssen nicht nur klassische Brot- und Backwaren meiden, sondern auch Bier, das mit gemälztem, in der Regel glutenhaltigem Getreide – meist Gerste – hergestellt wird. Grundsätzlich sind die im Malz natürlich enthaltenen proteinabbauenden Enzyme (Peptidasen) jedoch in der Lage, das Protein Gluten abzubauen. Diese Fähigkeit auszuschöpfen, gelang im Rahmen des IGF-Projektes, das 2013 erfolgreich abgeschlossen wurde: Unter Einsatz von Malz mit hoher Peptidaseaktivität wurde erstmals ein Verfahren zur Herstellung glutenfreier bzw. stark glutenreduzierter Biere entwickelt und umgesetzt.
    • AiF 18071 N: Ziel des 2017 abgeschlossenen IGF-Projektes war es, das bisher ungenutzte metabolische Potential von Essigsäurebakterien zur Erweiterung der Produktpalette und zur Verbesserung der Qualität glutenfreier Backwaren zu erschließen. Essigsäurebakterien sind in der Lage, sogenannte extrazelluläre Polysaccharide (EPS) zu bilden, die die Struktur von Backwaren verbessern können. Dies gelang, indem entsprechend fermentierte Vorteige eingesetzt wurden. Die Voraussetzungen zur effizienten Nutzung von EPS-bildenden Essigsäurebakterien in glutenfreien Sauerteigen konnten somit erfolgreich erarbeitet werden.
    • AiF 18355 N: Eine intensivere Nutzung von alten Weizenarten zu erreichen und dafür die anwendungsorientierten und ernährungsphysiologischen Grundlagen zu schaffen – das stand im Fokus des 2018 abgeschlossenen IGF-Vorhabens. Während Dinkel zunehmend an Bedeutung gewinnt, werden Einkorn und Emmer bislang kaum noch eingesetzt, haben aber einen hohen Gehalt an wichtigen Mikronährstoffen. Zudem wurden in Einkorn bislang keine Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI) nachgewiesen: Diese Proteinklasse wird als Auslöser des Bäcker-Asthmas, als Verstärkungsfaktor in der Pathogenese der Zöliakie und der Auslösung der Weizensensitivität angesehen. Daher wurden Handlungsempfehlungen zu Züchtung, Anbau und Verarbeitung dieser Getreide erstellt und ernährungsphysiologische Alleinstellungsmerkmale für eine verbesserte Vermarktungsgrundlage identifiziert.
    • CORNET AiF 147 EN: Im Rahmen des interdisziplinären, 2017 abgeschlossenen CORNET-Projekts hatte sich das deutsch-belgische Forscherteam ebenfalls zum Ziel gesetzt, die Qualität von glutenfreiem Brot zu verbessern. Im Rahmen des CORNET-Vorhabens ermittelten sie anhand von zwei Modellrezepturen den Einfluss verschiedener Inhaltsstoffe von glutenfreien Mehlen, verschiedener Zutaten sowie thermisch vorbehandelter Proteine und Stärken auf die Textur und die Freisetzung von Schlüsselaromastoffen. Zudem prüften die Wissenschaftler den Einfluss der Verarbeitung – wie den Mischprozess bei der Teigbereitung – und passten das Herstellungsverfahren an, um mit den Erkenntnissen daraus das Aroma und die Textur zu optimieren.
    • AiF 18905 N: Ein großes Defizit von glutenfreien Broten ist die oft trockene oder bröckelnde Krume. Einen Weg, dies zu ändern, wählten die Forscher im Rahmen des 2018 abgeschlossenen IGF-Vorhabens: Durch eine gezielte Hochdruckhydratisierung von Rohstoffen konnten sie signifikant die Wasserbindung, die Verkleisterungseigenseigenschaften, die Gashaltefähigkeit und das Volumen von glutenfreien Teigen und den daraus hergestellten Backwaren verändern. Auch bei der Lagerung führt die gezielte Hydratisierung zu einer nachweislich länger frischen Krume von Broten.


    Vieles wurde mit den abgeschlossenen Projekten bereits erreicht – doch die Forschung geht weiter: Aktuell beschäftigen sich vier Forschungsgruppen in drei aktuell laufenden IGF-Projekten des FEI mit den möglichen Ursachen der NCGS (AiF 20763 N), mit der Bestimmung des ATI-Gehalts in Mehlen und Backwaren (AiF 19924 N) sowie mit der Optimierung des Gaseintrags in glutenfreie Teige (AiF 18619 N).
    Auch auf dem internationalen Markt spielen glutenfreie Lebensmittel eine immer größer werdende Rolle. Die Ergebnisse dieser IGF-Vorhaben ermöglichen es den Herstellern glutenfreier Produkte, die Qualität ihrer Produkte kontinuierlich weiter zu verbessern. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen, die mehrheitlich diese Nischenprodukte herstellen, können damit wettbewerbsfähig bleiben.

  • Projektbeteiligte


    Deutsche Forschungsstellen:

    Industriegruppen:

    (Stand: Oktober 2019)



Forschungsvorhaben


... Projekte der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)


Förderhinweis