Projekt des Monats Oktober 2025

Von der Bohne zum perfekten Espresso: Wie die Partikelgrößenverteilung das Aroma beeinflusst

Kaffee gilt als das mit Abstand beliebteste Heißgetränk in Deutschland: Täglich werden durchschnittlich 3,8 Tassen Kaffee pro Kopf konsumiert. Entsprechend hoch ist die Wirtschaftskraft des deutschen Kaffeemarkts und die Bedeutung optimaler Zubereitungsbedingungen, insbesondere von Kaffeespezialitäten wie Espresso, der auch die Basis für einen Cappuccino oder einen Latte Macchiato bildet. Die Qualität eines Espressos wird maßgeblich durch die Eigenschaften des gemahlenen Kaffees bestimmt. Neben der Röstung und der Zusammensetzung der Kaffeebohnen spielt vor allem die Partikelgrößenverteilung eine zentrale Rolle. Sie beeinflusst sowohl die Oberfläche, über die Aromen und weitere Inhaltsstoffe extrahiert werden, als auch das Zusammenspiel von Druck und Durchfluss im gepressten Kaffeepulver, dem sogenannten Kaffeepuck.

Doch in der Kaffeeforschung fehlt es bislang an einer ganzheitlichen Betrachtung, die physikalische, chemische und sensorische Aspekte der Partikelgrößenverteilung verknüpft. Dies zu ändern, ist Ziel eines aktuell vom FEI koordinierten Projekts der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF). Es knüpft an das 2022 erfolgreich abgeschlossene IGF-Projekt 20748 N an, in dem ein mechanistisches Modell entwickelt wurde, um die Extraktion unter Variation von Temperatur und Durchflussraten vorherzusagen. Im aktuellen Forschungsvorhaben soll dieses Modell gezielt erweitert werden, um den Einfluss der Partikelgrößenverteilung detailliert zu erfassen und damit eine wissenschaftlich fundierte Optimierung der Produktqualität zu ermöglichen. Zu den Arbeitshypothesen gehört, dass selbst geringe Unterschiede im Verhältnis von feinen und groben Partikeln messbare Effekte auf die Extraktion haben, die sich in der sensorischen Wahrnehmung deutlich bemerkbar machen können.

Drei Forschungsgruppen der Technischen Universität München bringen dafür ihre Expertise ein: Die Professur für Biothermodynamik untersucht den Einfluss des Mahlgrads und der Partikelverteilung auf die Extraktionskinetik. Der Lehrstuhl für Systemverfahrenstechnik untersucht die Veränderung der zeitlichen und räumlichen Porosität und formuliert ein mechanistisches Modell, das die relevanten Phänomene und das dynamische Verhalten des Espresso-Extraktionsprozesses unter dem Einfluss unterschiedlicher Partikelgrößenverteilungen berücksichtigt. Am Lehrstuhl für Lebensmittelchemie und Molekulare Sensorik werden Schlüsselgeschmacksstoffe identifiziert, quantifiziert und ihre Interaktionen mit hochmolekularen Melanoidinfraktionen untersucht.

Die eingesetzten Kaffee-Proben werden nach standardisierten Profilen geröstet, gemahlen und unter konstanten Bedingungen extrahiert. Gezielte Variationen der Mahlgrade und Partikelmischungen ermöglichen es, ihre Auswirkungen auf Druckverlauf, Durchflussrate, Extraktionskinetik und sensorische Wahrnehmung zu erfassen.
Besondere Aufmerksamkeit gilt der zeitlichen Veränderung des Kaffeepucks während der Extraktion.

µCT-Aufnahmen zeigen, wie sich feine Partikel verlagern, Porenstrukturen verändern und Sperrschichten entstehen, die den Wasserfluss beeinflussen. Diese Erkenntnisse fließen in die Weiterentwicklung des Stofftransportmodells ein, das künftig auch die Partikelgrößenverteilung berücksichtigt und so präzisere Vorhersagen zu Aroma- und Feinpartikelgehalt ermöglicht – eine Grundlage für präzisere Steuerungsmöglichkeiten in der Kaffeezubereitung.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der chemischen Analyse zentraler Aroma- und Geschmacksstoffe wie Koffein, Chlorogensäuren und Trigonellin. Mittels LC-MS/MS werden diese Verbindungen exakt quantifiziert. Ergänzend wird untersucht, wie sie mit Melanoidinfraktionen interagieren, da solche Bindungen den sensorischen Eindruck beeinflussen können – beispielsweise, indem Bitterkeit gemildert oder Säure betont wird. Zudem wird der Gehalt an Feinpartikeln im Getränk ermittelt, da sie sowohl Viskosität als auch Geschmack beeinflussen.

Die Ergebnisse des vom Deutschen Kaffeeverband und fast 20 Unternehmen unterstützten Projekts werden vor allem kleinen und mittleren Unternehmen der Kaffee- und Zulieferbranche zugutekommen: Röstereien können ihre Mahlprozesse optimieren, Maschinenhersteller ihre Technik gezielter abstimmen, Baristas ihre Extraktion präziser steuern. So lässt sich auch bei schwankender Rohstoffqualität ein gleichbleibend hoher sensorischer Standard sichern. Davon werden alle Kaffee-Fans profitieren können!


Informationen zum IGF-Projekt 01IF23155N "Modellgestützte Untersuchung des Einflusses der Partikelgrößenverteilung auf die Kaffeeextraktion und sensorische Wahrnehmung"



... ein Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)
Förderhinweis


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