Projekt des Monats September 2022

Wegweisende Strategien gegen Schaderreger in der Weinproduktion: Forschungsteam prüft und entwickelt präventive und kurative Maßnahmen zur Botrytis-Bekämpfung

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Durch die mit dem Klimawandel verbundenen Extremwetterereignisse haben Schaderreger in der Weinproduktion zunehmend häufiger ein „leichtes Spiel“ – so auch Botrytis cinerea, einer der relevantesten Schadorganismen in der Weinwirtschaft: Nicht nur Starkregen und Hagel fördern den Botrytis-Befall von Weintrauben, auch die durch Trockenstress gebildeten Mikrorisse in den Beeren erhöhen in einem heißen Jahr wie 2022 die Anfälligkeit für eine Infektion. Zudem treten inzwischen aggressivere Stämme von Botrytis cinerea vermehrt auf.

Zu den markantesten Symptomen eines Befalls zählt ein gräulicher Pilzrasen; daher wird eine Botrytis-Infektion auch als Graufäule bezeichnet. Mit ihr werden vor allem schlechte Filtrierbarkeit, muffige Fehlaromen wie Pilznoten, ein Verlust des Sortenaromas, Hochfarbigkeit bis hin zur Braunfärbung sowie Farbverlust assoziiert. Schlimmstenfalls ist ein Totalverlust der Lese möglich. Die Qualitätseinbußen und wirtschaftlichen Schäden können daher immens und insbesondere für kleinere Weinbaubetriebe existenzbedrohend sein.

Übliche Maßnahmen gegen Botrytis-Infektionen sind bislang der Einsatz von Fungiziden und weinbauliche Maßnahmen wie die Entblätterung der Rebstöcke. Die dabei entstehenden Material- und Arbeitskosten sind hoch, zudem können sie bei falscher Terminierung Sonnenbrandschäden auslösen: Weitere wirtschaftliche Einbußen sind die Folge.

Ein Fall für die Industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF)! Ein Forschungsteam des DLR Rheinpfalz in Neustadt a.d. Weinstraße und der Universität Bonn nimmt sich daher der komplexen Thematik an: Im Rahmen eines IGF-Projekts des FEI entwickelt das Team ein molekularbiologisches Diagnostikverfahren für Botrytis-cinerea-Stämme aus dem Weinberg, mit dem diese aufgrund ihrer Sekretion des Enzyms Laccase in schwach-, mittel- und hochaktive Klassen eingeordnet werden können – und zwar in einem frühen Stadium, was mit sonstigen Methoden zur Befallserkennung nicht möglich ist. Abgestimmt auf diese drei Klassen wird die Wirksamkeit oenologischer Behandlungsmethoden – wie der Einsatz von Aktivkohle oder Tanninen und eine Flashpasteurisierung – differenziert evaluiert und in der Praxis validiert. Die Versuche werden an Weinen verschiedener Rebsorten durchgeführt: Ein Riesling und ein Cuvée aus Morio-Muskat und Grauburgunder stehen Modell. Die unterschiedlich ausgebauten Weine werden durch ein Sensorik-Panel untersucht. Chemische Analysen ergänzen die sensorischen Untersuchungen.

Auf Basis der Ergebnisse dieses IGF-Vorhabens sollen konkrete Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Botrytis cinerea entwickelt werden, die sowohl für den ökologischen wie für den integrierten Weinbau geeignet sind. So können Betriebe künftig geschädigtes Lesegut zielgerichteter behandeln, z. B. durch eine bedarfsorientierte Gabe oenologischer Tannine oder durch Einsatz einer Flashpasteurisierung zur Inakti-vierung der Laccase. Diagnostik-Kits, die einen Schnelltest zur Früherkennung eines Befalls ermöglichen, können auf Basis der molekularbiologischen Erkenntnisse durch Biotechnologie-Unternehmen entwickelt werden.

Die entwickelten und angepassten weinbaulichen sowie oenologischen Strategien zum Umgang mit Botrytis-cinerea-Infektionen werden mehr als 15.000 deutschen Weinerzeugern – fast ausschließlich kleine oder mittelständische Betriebe – maßgeblich dabei unterstützen können, den Herausforderungen des Klimawandels zielgerichteter zu begegnen und Qualitätsverluste durch Botrytis-cinerea-Infektionen zu vermeiden.


Informationen zum IGF-Projekt AiF 21630 N "Weinbauliche und oenologische Strategien zur Verhinderung von Qualitätseinbußen durch Botrytis cinerea"


... ein Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)

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