Projekt des Monats September 2025

Wie sich die Zuckerrübenverarbeitung für den Klimawandel wappnet: Forschungsteam optimiert Prozessparameter für die Extraktion bei veränderter Rohstoffqualität

Normschnitzel mit einem quadratischen Querschnitt.
Der Klimawandel ist längst in der deutschen Landwirtschaft angekommen – Und Klimamodelle prognostizieren auch für alle Zuckerrübenanbauregionen weitgehende Veränderungen: Sehr heiße Sommer, Trockenstress und extreme Wetterlagen führen zu veränderten Zuckerrübenqualitäten und lassen deren effiziente Verarbeitung zunehmend zur Herausforderung werden. Hinzu kommen noch neuartige Krankheiten wie SBR und Stolbur, die zu erheblichen Qualitätseinbußen führen. In der Praxis zeigen sich bereits Verarbeitungsprobleme, die vor allem auf eine veränderte Textur der Rüben zurückzuführen sind. Modifikationen des Markgehalts sowie der mechanischen Eigenschaften wie Elastizität und Festigkeit der Rübenschnitzel beeinflussen maßgeblich deren Schneideverhalten, thermische Stabilität, Permeabilität und Diffusionseigenschaften.

Normschnitzel mit einem quadratischen Querschnitt, die manuell mittels eines standardisierten Verfahrens aus den Versuchsrüben geschnitten werden. Sie dienen als Ausgangsmaterial für die Extraktion in der Extraktionszelle.
Ein vom FEI gefördertes Projekt der Industriellen Gemeinschaftsförderung (IGF) an der Technischen Universität Berlin widmet sich der Frage, wie industrielle Extraktionsprozesse an diese neuen Gegebenheiten angepasst werden können. Ziel ist es, eine wissensbasierte Grundlage zu schaffen, um auf unterschiedliche Rübenqualitäten mit optimal eingestellten Prozessparametern reagieren zu können – und zwar schon im Vorfeld der Verarbeitung. Dazu werden neue Methoden zur Charakterisierung des Rübenmaterials entwickelt, die perspektivisch auch automatisiert einsetzbar sein sollen.

Angesichts der klimabedingt veränderten Rübenqualitäten erweisen sich die bisherigen Strategien zur effizienten Verarbeitung von Rüben als unzureichend. Hinzu kommt, dass züchterische Erfolge der Vergangenheit – etwa ein hoher Zuckergehalt bei niedrigem Markgehalt – die Rüben zusätzlich anfällig für strukturelle Schwächen gemacht haben. Wie gravierend sich das auswirken kann, zeigte sich im Dürrejahr 2018: Der spezifische Energiebedarf der Verarbeitung stieg gegenüber dem Vorjahr um 8,5 Prozent, während der Zuckerertrag um fast drei Tonnen pro Hektar sank. Im Fünfjahresmittel reduzierte sich die Effektivität der Zuckerausbeute spürbar – ein deutliches Zeichen, dass bisherige Prozesse an Grenzen stoßen.

Konstruierte Extraktionszelle zur Untersuchung der Extraktion von Zuckerrübenschnitzeln im Labormaßstab. Im Bild: Extraktionszelle im Betrieb (Festbettextraktion).
Im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten steht dabei die Simulation industrieller Bedingungen im Labormaßstab mit variablen Produkt- und Prozessparametern wie unterschiedlichen Zuckerrübenarten, Lagerbedingungen, Extraktionstemperaturen und Packungsdichte. Als Ausgangsmaterial für ein breites Spektrum an Extraktionsexperimenten dienen einerseits am Institut für Zuckerrübenforschung (IfZ) unter kontrollierten Bedingungen gezielt angebaute Zuckerrüben mit einheitlicher Qualität und andererseits Industrieproben, die bereits abweichenden klimatischen Bedingungen ausgesetzt waren. Ergänzend sind Technikumsversuche vorgesehen, um die Übertragbarkeit der Erkenntnisse auf den großtechnischen Maßstab sicherzustellen. Ziel ist es, daraus eine fundierte Datenbasis für die spätere Prozesssteuerung zu schaffen – ein wichtiger Schritt in Richtung resilienter Zuckerproduktion unter sich wandelnden klimatischen Bedingungen.

Aus Sicht der beteiligten Industriepartner ist das Projekt von hoher strategischer Bedeutung. Die industrielle Zuckerproduktion steht angesichts von CO₂-Bepreisung, Klimazielen und wirtschaftlichem Druck ohnehin unter Transformationszwang. Ineffiziente Prozesse infolge schlechter Rohstoffqualität sind dabei keine Option. Die Ergebnisse des Projekts sollen daher nicht nur zur Stabilisierung der Prozessführung beitragen, sondern auch langfristig helfen, neue Züchtungsziele zu definieren – zum Beispiel im Hinblick auf thermische Resilienz, Mark- oder Pektingehalt.

Das Projekt hat Signalwirkung für die gesamte Zuckerwertschöpfungskette, von der Züchtung über die Verarbeitung bis hin zu den zahlreichen Industriezweigen, die auf eine verlässliche Zuckerqualität angewiesen sind. Es zeigt, wie praxisorientierte Forschung einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit einer ganzen Branche leisten kann und damit auch zur Ernährungssicherung in Zeiten des Klimawandels.

Informationen zum IGF-Projekt 01IF22491N "Grundlagengestützte Flexibilisierung industrieller Extraktionsprozesse – klimainduzierte Variationen von Zuckerrüben"



... ein Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)
Förderhinweis


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