Projekt des Monats August 2025

Melanoidine mit Wirkung: Forschungsteam untersucht sensorisches Potential der hochmolekularen Verbindungen in Bier

Typische Situation in einem Sensoriklabor.
Mit einem Absatz von über 83 Millionen Hektolitern im Jahr 2023 bleibt Bier das beliebteste alkoholische Getränk in Deutschland. Pils ist die am meisten nachgefragte Biersorte, gefolgt von Lager und Weißbier. Doch auch sogenannte Nischenbiere wie Malz- und Schwarzbier gewinnen an Beliebtheit: Deren besondere Aromanoten und ihr eigenständiger Charakter ließen die Nachfrage dieser Nischenbiere zwischen 2018 und 2021 um bis zu 94 Prozent steigen. Davon profitieren vor allem kleine und mittlere Brauereien: Besonders diese Unternehmen können mit kreativen Rezepturen und dem Einsatz von Spezialmalzen – die maßgeblich für die individuellen Aromen und die Farbintensität verantwortlich sind – neue Marktsegmente erschließen.

Spezialmalze prägen nicht nur Farbe und Geschmack. Im Rahmen eines aktuellen Projekts der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) rücken nun die darin enthaltenen hochmolekularen Melanoidine in den Fokus und mit ihnen ein bislang kaum erforschtes Potenzial für die Aromagestaltung von Bier. Melanoidine entstehen beim Darren des Malzes im Zuge der Maillard-Reaktion. Es handelt sich um chemisch komplexe Verbindungen, die nicht nur die Farbe des Bieres beeinflussen, sondern auch mit anderen Bierinhaltsstoffen interagieren können. Derartige Effekte sind aus Kaffee und Rotwein bekannt, für Bier jedoch wissenschaftlich kaum erschlossen. Diese Wissenslücke soll mit dem IGF-Projekt des FEI geschlossen werden.

Ziel ist es, die Wechselwirkungen zwischen hochmolekularen Melanoidinen und charakteristischen Bieraromastoffen systematisch zu analysieren. Darüber hinaus sollen funktionelle Melanoidinfraktionen identifiziert werden, die das Aromaprofil von Bieren stabilisieren, Fehlaromen reduzieren oder gezielt neue sensorische Nuancen fördern können.

Die Untersuchungen werden an der Technischen Universität München vom Forschungszentrum Weihenstephan für Brau- und Lebensmittelqualität sowie vom Lehrstuhl für Lebensmittelchemie und Molekulare Sensorik gemeinsam durchgeführt. Insgesamt 17 Versuchsbiere – gebraut mit unterschiedlich intensiv gedarrten Spezialmalzen – werden mittels Ultrafiltration in unterschiedliche Fraktionen aufgetrennt und mittels Gaschromatographie-Tandem-Massenspektrometrie (GC-MS/MS), NMR-Spektroskopie und sensorischen Tests analysiert. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend: Inkubationsversuche mit isolierten Bieraromaextrakten und hochmolekularen Melanoidinfraktionen zeigen signifikante Veränderungen in der sensorischen Wahrnehmung. Diese Erkenntnisse können neue Wege eröffnen, um Fehlaromen zu reduzieren und die Aromastabilität von Bieren gezielt zu verbessern.

Für die Brau- und Malzbranche – insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) – bietet das Projekt praxisnahe Perspektiven: Ohne zusätzliche technische Investitionen können Spezialmalze sich künftig als strategischer Schlüssel zur Entwicklung markanter, sensorisch anspruchsvoller Bierstile erweisen.

Das Projekt wird vom Forschungskreis der Ernährungsindustrie (FEI) koordiniert und von der Wissenschaftsförderung der Deutschen Brauwirtschaft e. V., dem Deutschen Mälzerbund e. V. und der Wissenschaftlichen Station für Brauerei in München e. V. begleitet. Zusätzlich bringen 14 Unternehmen aus der Brau- und Malzbranche ihre Praxisperspektive aktiv in das Vorhaben ein.



Informationen zum IGF-Projekt 01IF23196N "Einfluss von hochmolekularen Melanoidinen auf die Aroma- und Geschmackswahrnehmung von Bier"



... ein Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)
Förderhinweis


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