Projekt des Monats Oktober 2023

Effektive Maßnahme zur Senkung der Zucker- und Energiezufuhr: Forschungsteam erarbeitet umfassende Strategie zur Reformulierung von Fruchtjoghurt

Ziel des Forschungsprojekts ist, den Gesamtzuckergehalt in Fruchtjoghurt um bis zu 60 % zu reduzieren.
Um die Säure des Joghurts abzumildern und die süßen Noten der Früchte hervorzuheben, setzen Hersteller bei der Produktion von Fruchtjoghurt Zucker (Saccharose) hinzu. Zusammen mit den bereits nativ enthaltenen Zuckern – Lactose aus der Milch sowie Fructose, Glucose und Saccharose aus der Frucht – erfüllt der zugesetzte Zucker auch technologische Funktionen im Produkt: Er sorgt für das gewünschte Mundgefühl, ein angenehmes Süße-Säure-Verhältnis sowie eine stabile Farbe bis zum Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums und darüber hinaus.

Doch schon mit dem Verzehr von nur einem Becher eines klassischen Fruchtjoghurts nimmt ein Erwachsener bereits rund ein Viertel der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen täglichen Maximalmenge an freien Zuckern auf. Angesichts der Tatsache, dass allein in Deutschland zwei Drittel der Männer und die Hälfte der Frauen übergewichtig oder sogar adipös sind und damit das Risiko für gravierende Folgeerkrankungen wie Fettleber oder Diabetes Typ 2 steigt, gilt es, das Übel an der Wurzel zu packen: Eine der Ursachen ist neben Bewegungsmangel eine zu hohe Zufuhr von Zucker und damit von Energie.

Hier setzt ein aktuelles Vorhaben der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) an, an dem zwei Forschungsteams, des Max-Rubner-Instituts in Kiel und der Hochschule Geisenheim University, interdisziplinär forschen. Gemeinsames Ziel ist es, den Gesamtzuckergehalt in Fruchtjoghurt, um bis zu 60 % zu reduzieren – und dabei die produkttypischen Eigenschaften hinsichtlich Geschmack, Mundgefühl, Süße-Säure-Verhältnis und Farbe zu erhalten.

Im Rahmen dieser Arbeiten wird ein Bündel von Maßnahmen zur Reduktion sowohl von nativen als auch von zugesetzten Zuckern systematisch untersucht und bewertet. Die Forschungsgruppen betrachten dabei Reduktionsmöglichkeiten sowohl im nativen Joghurt als auch in den Fruchtzubereitungen, die zur Herstellung von Fruchtjoghurts gemischt werden, getrennt. So erhoffen sie sich, die durch die Zuckerreduktion zu erwartenden Defizite bezüglich des Geschmacks, des Mundgefühls und der Farbstabilität ausgleichen zu können.

Für eine gleichbleibende Produktqualität wird bei der Joghurtherstellung die Milch hinsichtlich des Protein- und Fettgehalts standardisiert. Zur Zuckerreduktion wird diese um eine Lactosestandardisierung ergänzt. In einem zweistufigen Filtrationsverfahren wird zuerst das Milchprotein angereichert (Ultrafiltration). Im nachfolgenden Filtrationsschritt wird dem entstandenen Permeat Lactose entzogen (keramische Nanofiltration). Anschließend wird der lactosearme mit dem proteinreichen Produktstrom kombiniert. In den Forschungsarbeiten wird sowohl der minimal notwendige Lactosegehalt bestimmt, der zur Milchfermentation notwendig ist. Neben dem minimal notwendigen Lactosegehalt wird auch untersucht, bei welchem verringertem Lactosegehalt die besten Ergebnisse im Hinblick auf Geschmack, Cremigkeit und Fermentationszeit erzielt werden.

In weiteren Untersuchungsansätzen werden die Möglichkeiten und Auswirkungen der Zuckerreduktion in Fruchtzubereitungen analysiert. Zur Aufklärung physikalisch-chemischer Zusammenhänge wird der zugesetzte Zuckeranteil in mehreren Stufen systematisch reduziert und substituiert. In diesem Zusammenhang werden neuartige Zuckeraustauschstoffe erprobt, die die Wiederherstellung der Wasseraktivität gewährleisten und zum sogenannten „Bulking-Effekt“ beitragen, der wichtig für ein samtiges, volles Mundgefühl beim Verzehr ist. Darüber hinaus werden auch Aromen und Süßstoffe eingesetzt, um die mit der Zuckerreduktion einhergehenden Qualitätseinbußen zu kompensieren. Neben der Reduzierung der zugesetzten Zucker wird auch die Möglichkeit der Abreicherung von natürlicherweise in der Frucht vorkommenden Zuckern, z. B. durch Ultra- und Nanofiltration, untersucht.

Bei den Forschungsarbeiten steht Fruchtjoghurt als das in Deutschland meist konsumierte Milchmischerzeug-nis im Fokus; potentiell sind die Erkenntnisse auch auf Produkte wie Quarkspeisen oder Skyr (Frischkäse) übertragbar. Im Ergebnis könnten zuckerreduzierte Fruchtjoghurts nicht nur einen wertvollen Beitrag zur ernährungsphysiologisch gebotenen Reduktion der Gesamtzuckeraufnahme leisten, sondern auch weitere Produktinnovationen im Kühlregal ermöglichen.

Fermentierte Milchprodukte wie Joghurt und Frischkäse zählten im Jahr 2021 mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 14,2 kg Joghurt bzw. 6,9 kg Frischkäse zu den umsatzstärksten Produkten in Deutschland. Umfragen zufolge verzehren 86 % aller Verbraucherinnen und Verbraucher regelmäßig Fruchtjoghurt. Daher ist die Chance für die mittelständisch organisierte Milchindustrie groß, mit innovativen, zuckerreduzierten Produkten auf breiter Linie einen Beitrag zu einer ausgewogeneren, energiereduzierten Ernährung zu leisten – und gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Neben der milchverarbeitenden Industrie könnten auch die vielen kleinen und mittelständischen Unterneh-men, die sich seit einigen Jahren mit pflanzenbasierten Alternativen zu Milchprodukten in der Nische behaupten, von den IGF-Ergebnissen profitieren; ebenso wie Produzenten von Fruchtzubereitungen, deren Hauptumsätze auf das B2B-Geschäft mit der Milchindustrie entfallen, sowie Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus.


Informationen zum IGF-Projekt AiF 21344 N "Reformulierung von Fruchtjoghurt durch Reduktion des Gesamtzuckergehalts und innovative Membran- und Fermentationsverfahren"

... ein Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)

Förderhinweis
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