Mikroalgen – eine Rohstoffquelle der Zukunft! Forscher erhöhen Prozessproduktivität und verbessern Erschließung wertvoller Inhaltsstoffe

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Unter den nachwachsenden Rohstoffen ruhen auf Mikroalgen große Hoffnungen. Zu Recht, denn bis zu 70 % der Algentrockenmasse bestehen aus wertvollen Proteinen. Darüber hinaus enthalten Mikroalgen mehrfach ungesättigte Fettsäuren, natürliche Farbstoffe, Vitamine und zahlreiche weitere bioaktive Verbindungen, die sowohl für Lebensmittel als auch für Futtermittel genutzt werden können. Und nicht nur das: Mikroalgen wandeln Kohlenstoffdioxid in Biomasse um, die als alternative Energiequelle zur Herstellung von Biogas genutzt werden kann.
Bei idealer Versorgung mit Licht, Wärme, Nährstoffen und Kohlenstoffdioxid teilen sich die ca. 5 µm großen Organismen mehrmals täglich und generieren so große Erträge. In diesem schnellen Wachstum der Mikroalgen liegt auch ihr Erfolgsgeheimnis begründet: Auf gleicher Fläche erreichen Mikroalgen so Erträge, die die von Kulturpflanzen wie Mais, Raps, Soja oder Zuckerrohr um die drei- bis fünffache Menge übersteigen – sie punkten also auch mit einer enormen Flächeneffizienz.

  • Nachhaltige Alleskönner!


    Mikroalgen sind somit nachhaltige Alleskönner, deren Potential nicht nur in der Lebensmittel- und Futtermittelindustrie erkannt wurde, sondern auch in der Energiewirtschaft, in der Pharmaindustrie oder in der Entsorgungswirtschaft für die Reinigung von Abwässern. Hinzu kommt, dass die Mikroalgenproduktion im Sinne der Nachhaltigkeit besondere Vorteile aufweist: Die Möglichkeit zur Verwendung unfruchtbarer Flächen, von Salzwasser und von Nebenströmen als Nährstoffquellen punkten neben einer hohen Biomasseproduktivität sowie einer fast 100%igen Effizienz bei der Nutzung von zugeführten Nährstoffen. Mithilfe von Sonnenlicht produzieren Mikroalgen wertvolle Biomasse effizienter als jede Landpflanze.
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    Doch die Zucht, die Ernte und der Aufschluss der Algen sind aufwändig und aufgrund fehlender Erfahrung sind die Prozesse noch nicht so effizient, um Mikroalgen als nachhaltige Rohstoffquelle ökonomisch einsetzen zu können.
    Der größte Anteil an Algenbiomasse wird derzeit in Asien produziert. Diese wird nach der Ernte getrocknet und nach Europa verschifft, wo sie resuspendiert und der Extraktion zugänglich gemacht wird – dieser Ansatz ist äußerst energie- und kostenintensiv. Zudem werden traditionell insbesondere im asiatischen Raum Mikroalgen in offenen Becken (open ponds) gezüchtet. Das ist kostengünstig, doch die „Open-Pond-Qualitäten“ sind aufgrund ihrer unkontrollierbaren Wachstumsbedingungen mikrobiell oft stark belastet und daher nicht für die Weiterverarbeitung in Lebensmitteln geeignet.

    Vor diesem Hintergrund wurde über den FEI ein transnationales Gemeinschaftsforschungsprojekt initiiert: An dem CORNET-Projekt iAlgaePro arbeiteten zwei deutsche Forschungsstellen, das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik (DIL) und das Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung (ILU), von 2014 bis 2017 interdisziplinär mit der belgischen Forschungseinrichtung VITO NV zusammen. Das Forschungsteam hatte das Ziel, den gesamten Prozess effizienter und produktiver zu gestalten – von der Kultivierung, über die Ernte und Entwässerung bis hin zur Erschließung der Inhaltsstoffe.
  • Innovative Technologien für den multifunktionellen Rohstoff


    An zwei Modellstämmen – Spirulina platensis und Scenedesmus dimorphus – nutzten die Forscher Verfahren wie die „Mesh-Ultra-Thin-Layer“ (MUTL)-Technologie für die Kultivierung, die Hochspannungsimpulstechnologie für die Stimulierung des Wachstums, membranbasierte Ernteverfahren sowie neuartige Separations- und schonende Extraktionstechniken. Darüber hinaus wurde das Wachstum der Mikroalgen charakterisiert und optimiert. Abschließend wurden Modellprodukte entwickelt, um die Ergebnisse unmittelbar anwenden zu können.

    Die Ergebnisse waren in jeder Hinsicht vielversprechend:
    • Produktivere Kultivierung: Der Vergleich von zwei sehr unterschiedlichen Photobioreaktortechnologien zeigte, dass eine effektivere Anzucht und eine erhöhte Ausbeute an Biomasse durch den Wechsel von der klassischen Röhren-Photobioreaktor-Anzucht zur MUTL-Technologie realisiert werden kann. Insbesondere bei der Kultivierung von Scenedesmus zeigte die MUTL-Technologie konsistent eine wesentlich bessere Biomasseproduktivität.
    • Steigerung wertvoller Inhaltsstoffe: Die Kultivierung der Algen in dem MUTL-Reaktor hatte einen signifikanten Einfluss auf die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe im Vergleich zum klassischen Verfahren. Insbesondere wurde eine vielfache Steigerung der Polyphenolgehalte und der antioxidativen Kapazität durch die Kultivierung im Prototypreaktor induziert. Die so erzeugte Biomasse ermöglicht damit die Gewinnung von Isolaten bzw. Extrakten mit neuartigen Inhaltsstoffprofilen, die die Grundlage für innovative Produkte darstellen können.
      Nachgewiesen: Ein MUTL-Reaktor ermöglicht eine bessere Biomasseproduktivität.
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    • Verbesserter Aufschluss und verbesserte Hygiene: Das vielseitige Potential der im Rahmen von mehreren FEI-Projekten entwickelten und erprobten Hochspannungsimpulstechnologie (pulsed electric fields (PEF)) wurde sowohl für den Algenaufschluss, die Verringerung von unerwünschten Mikroorganismen und insbesondere zur Stimulation der Algenzellen während des Wachstums aufgezeigt. Es zeigte sich, dass die PEF-Technologie im Vergleich zu chemischen oder anderen physikalischen Verfahren zu einer effektiveren Freisetzung von Proteinen sowie anderer Inhaltsstoffe wie Enzymen und natürlichen Farbstoffen wie Phycocyanin bei gleichzeitiger Reduktion der Kontaminationsflora führt. Der Polyphenolgehalt und die antioxidative Kapazität der Zellen konnten ebenfalls durch die kontinuierliche Stimulation der Algen mittels gepulster elektrischer Felder positiv beeinflusst werden.
    • Energieeinsparung von 70 % bei Ernte und Entwässerung: Ein erfolgreiches Screening der unterschiedlichen Ernte- und Separationstechnologien zeigte große Unterschiede in Bezug auf die Aufkonzentrierungseffizienz und die Separationsgeschwindigkeit der verschiedenen Technologien. Insbesondere das Abtrennen des Prozesswassers von der Biomasse ist ein energetisch aufwändiger und sensibler Schritt bei der gesamten Algenprozessierung: Hierbei wies die Zentrifugen-Bürsten-Technologie im Vergleich zur Referenztechnik eine Energieersparnis von 70 % auf. Eine signifikante Energieeinsparung wird damit ermöglicht.
    • Vielfältiger Einsatz möglich: Zum Abschluss des Projektes wurden verschiedene Modellprodukte entwickelt und hergestellt. Untersucht wurden dabei die technofunktionellen und nutritiven Eigenschaften sowie die Sensorik und die Lagerungsstabilität der Produkte. Unter anderem wurden extrudiertes Knabbergebäck, Eiscreme, Schokolade, Kekse und Cracker hergestellt. Im Rahmen einer internationalen Verbraucherstudie wurden Präferenzen ermittelt, die für die Entwicklung von innovativen, algenhaltigen Produkten genutzt werden können.


  • Wertschöpfung des „grünen Golds“: erhöht!


    Durch die Kombination innovativer Verfahren innerhalb des gesamten Prozesses konnte das Forscherteam die Wertschöpfungskette von Mikroalgen deutlich verbessern. Machbarkeit und gegebene Skalierbarkeit der Technologien sind vielversprechende Voraussetzungen, um die Erkenntnisse praxis- und zeitnah umzusetzen.
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  • Markteinstieg mit IGF!

    Die Ergebnisse des Projektes sind vielversprechend: Sie eröffnen völlig neue Betätigungsfelder und ermöglichen europäischen Unternehmen, in den wachsenden Markt mit der vielversprechenden Rohstoffquelle einsteigen zu können. Insbesondere im Wettbewerb mit Low-Tech-Konkurrenten ergeben sich Vorteile.
    Ein Modellprodukt: Herzhafte Algencracker.
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  • Projektbeteiligte




Forschungsvorhaben CORNET AiF 129 EBG "Innovative Algenprozessierung für Nutraceuticals in Lebensmitteln und Futtermitteln (iAlgaePro)"

... ein Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)


Förderhinweis