Mehr Aroma in Wein und Sekt – durch zielgerichteten Einsatz von Hefen und schnellerer Analytik


Das Aroma eines Weines oder Sektes ist DAS entscheidende Qualitätskriterium. Es entsteht in erster Linie bei der ersten und zweiten alkoholischen Gärung, bei der die Hefen die gebundenen Aromastoffe aus ihren geruchlosen Vorstufen freisetzen. Ausgeprägt und sortentypisch soll es sein, damit die ausgewählte Rebsorte auch klar im Glas erkennbar ist – insbesondere dann, wenn es sich um hochpreisige Qualitätsprodukte, wie
Winzersekte oder Markensekte, handelt.
Diesen Anspruch umzusetzen, ist beim Sekt schwieriger als beim Wein: Denn die Trauben für den Sektgrundwein werden früh geerntet, damit der Sekt auch nach dem Alkoholanstieg durch die zweite Gärung – die Versektung – noch elegant wirkt. Je früher aber die Trauben geerntet werden, desto geringer ist die Ausprägung des Sortenaromas.


  • Praktikable Schnellmethode gesucht

    Die für die Ausprägung des Aromas so bedeutenden, vorerst aber geruchslosen Aromavorläufer stehen seit einiger Zeit im Fokus der Weinforschung: So können inzwischen mit hohem analytischen Aufwand blumig-fruchtige Monoterpene, frisch-grüne Hexenole oder exotisch anmutende C13-Norisoprenoide unterschieden werden, die für eine Vielzahl von Fruchtnoten verantwortlich sind. Doch dieser Aufwand ist in den Wein- und Sektkellereien – hierzulande vorrangig kleine oder mittelständische Betriebe – weder apparativ noch personell zu leisten. Es bedarf einer praktikablen und schnellen Methode zur Bestimmung der Aromavorstufen in Most und Sektgrundwein, um deren Potential besser beurteilen und ausschöpfen zu können.

  • Hefen, richtig ausgewählt

    Eine solche Schnellmethode vorausgesetzt, wären die Kellermeister in der Lage, für jeden Bedarf die ideale Hefe auszuwählen: Denn jeder Hefestamm verfügt über ein individuelles Freisetzungsvermögen – manche Hefen „befreien“ die glykosidisch gebundenen Aromavorläufer besonders schnell von ihrem Zuckerrest, andere langsamer. Abhängig von der Rebsorte und der Herstellungs- und Reifungszeit des gewünschten Produkts ließe sich mit einer schnelleren Analytik die richtige Hefe zielgerichteter finden. Da diese Ansätze für die gesamte Wein- und Sektbranche von Relevanz sind, war es naheliegend, sich dieser Thematik im Rahmen eines Projektes der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) zu widmen: Ziel war es, eine schnelle Methode zur Erfassung und Nutzung der Aromavorstufen zu entwickeln und zugleich die gezielte Auswahl eines Hefestamms mit einem optimalen enzymatischen Freisetzungspotential zu ermöglichen. Daran arbeitete von 2011 bis 2015 ein Team von Wissenschaftlern aus zwei Forschungsinstituten: dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz in Neustadt a.d. Weinstraße und der Technischen Universität Braunschweig.

  • Von „typisch deutsch“ bis international

    Für die Untersuchungen wurden Riesling, Müller-Thurgau und Muskateller als typisch deutsche Rebsorten sowie Chardonnay, Ugni blanc und Airén als internationale Rebsorten für die Sektherstellung ausgewählt. 16 Wein- und 9 Sekthefestämme wurden in ihrem individuellen Freisetzungsvermögen in Modellvergärungen und -versektungen charakterisiert. Zur schnellen Bestimmung der Gehalte an Aromavorläufern kam ein auf der FT-MIR-Technik basierendes, infrarotspektroskopisches Analyseverfahren zum Einsatz, das eine direkte Erfassung der Aromastoffvorläufer in den Ausgangsprodukten Most und Grundwein in wenigen Minuten ermöglicht.

  • Reproduzierbare, schnelle Ergebnisse

    Die Untersuchungen lieferten vielversprechende Ergebnisse: Mit einer guten Reproduzierbarkeit und im direkten Vergleich mit der (aufwändigen) GC-MSReferenzanalytik zeigte sich, dass die Aromavorstufen mittels FT-MIR-Analytik schnell und umfassend ermittelt werden können. Mit dieser Analytik war ein Benchmarking der verschiedenen Aromastoffklassen bzw. ihrer Vorläufer möglich.
    Abb. 1: Verteilung der Gehalte an Monoterpenen in Riesling-Sektgrundweinen: Das analytische Benchmarking zeigt das sensorisch noch nicht erkennbare Aromapotential des Weins bezüglich dieses Vorläufers an.
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    So zeigt Abb. 1 etwa, wie stark in Riesling-Sektgrundweinen die Monoterpene – eine dieser Aromastoffklassen – schwanken. Dieses Benchmarking ermöglicht den Sektkellereien im Vorfeld, die „innere“ Qualität der Grundweine zu beurteilen – gemessen am Gehalt der Aromastoffvorläufer, die sich einer sensorischen Prüfung noch entziehen.
  • Sensorischer Einfluss der Hefen … bei der Weinherstellung

    Im Rahmen des umfassenden Hefe-Screenings konnte klar zwischen Hefen mit einem schwachen und mit einem starken Freisetzungsvermögen für Aromastoffe unterschieden werden: Schwach freisetzende Hefen eignen sich demnach besser für die Vergärung von Weinen, für die eine längere Lagerung vorgesehen sind – damit bleibt nach der Vergärung ein Reservoir an Vorstufen im Wein, die während einer mehrjährigen Flaschenreife hydrolytisch gespalten werden können und damit für ein stabiles Sortenaroma sorgen. Für Weine, die innerhalb eines oder zwei Jahren konsumiert werden sollen, empfehlen sich hingegen Hefestämme mit einem hohen Freisetzungsvermögen.

  • … bei der Sektherstellung

    Viele Praktiker fragten, ob die Hefe bereits bei der Herstellung des Grundweines die Sortentypizität durch Freisetzung der gebundenen Aromastoffe anheben soll. Oder soll die erste Gärung mit einer wenig freisetzenden Hefe erfolgen? Dann entstünde ein neutralerer Wein, der aber für die folgende Versektung noch auf ein prall gefülltes Reservoir an gebundenen Aromastoffen zurückgreifen könnte. – Solche Fragestellungen wurden mit den Forschungsergebnissen gezielt beantwortet: In zwei Versuchsjahren kamen bei beiden Gärungen Hefestämme mit gering und stark freisetzendem Charakter zum Einsatz. Schon im ersten Versuchsjahr zeigte sich bei den Riesling- und Sauvignon blanc-Sekten, dass für die Erzeugung aromaintensiver und damit rebsortentypischer Sekte für die Grundweinherstellung eine eher schwach freisetzende Hefe eingesetzt werden sollte. Diese belässt einen Großteil der gebundenen Aromastoffe in ihrer für Oxidation und Verflüchtigung weniger anfälligen gebundenen Form. Erst während der Versektung erfolgt dann die entscheidende Freisetzung der sortentypischen Aromastoffe. Im zweiten Versuchsjahr konnten die Ergebnisse überprüft und bestätigt werden.
    Abb. 2: Unterschiedliche Fähigkeit einer schwach (grün) und stark (rot) freisetzenden Sekthefe, das Aroma des Sektes relativ zu dem des Grundweins (schwarz; 100 %) zu verstärken.
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    Abb. 2 zeigt beispielhaft das sensorische Profil von zwei geprüften Hefen aus einer quantitativen deskriptiven Analyse, die 20 Prüfer zweifach durchgeführt haben: Die schwach freisetzende Hefe (grün) veränderte die Aromaausprägung im Vergleich zum Grundwein (schwarz; 100 %) kaum. Demgegenüber war die stark freisetzende Hefe (rot) in der Lage, nach der Versektung die sensorische Ausprägung von Pfirsich-/Aprikose-, Honigmelone- und blumigen Noten signifikant zu verstärken.
  • Intensiveres Aroma mit Enzymeinsatz

    Zusätzlich wurde im Rahmen der Untersuchungen ein Enzympräparat eingesetzt, das alle an den Aromastoffen gebundenen Zucker abspalten kann. Sowohl sensorisch als auch analytisch konnte mit dessen Einsatz eine weitere Aromaintensivierung nachgewiesen werden.

  • Bedeutend für die deutsche Weinwirtschaft

    Rund 50 % der deutschen Weinproduktion werden als Trauben oder Most an weiterverarbeitende Betriebe verkauft. Während die Sortentypizität und Qualität von Weinen sensorisch und analytisch gut zu beurteilen sind, ergibt sich beim Bezug von Trauben und Most, aber auch von Sektgrundwein, das Problem, dass die spätere Wein- und Sektqualität nur unzureichend bewertet werden kann. Hier liefern die Ergebnisse des Projektes eine ideale Lösung: Mit der FT-MIR-gestützten Analyse ist eine Bestimmung der qualitätsrelevanten Aromavorstufen innerhalb von wenigen Minuten möglich.
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    Da Aromastoffvorläufer durch eine Verkostung nicht beurteilt werden können, ermöglicht diese Schnellmethode eine analytische Qualitätskontrolle während der ersten und zweiten Gärung. Erstmalig können schon Moste und Sektgrundweine getrennt auf die Gehalte von fünf verschiedenen Aromastoffklassen getestet werden.

  • Direkte Nutzung in kleinen wie großen Kellereien

    Zugang zu dieser Analytik erhält die Wein- und Sektbranche über ihre Dienstleistungslabore. Größere Wein- und Sekterzeuger können die FT-MIR-Technik auch in ihre bestehende betriebliche Qualitätskontrolle ntegrieren. Zudem können Sekt- und Weinkellereien nun gezielter und intelligenter die passenden Wein- und Sekthefen auswählen – dank der vorliegenden Empfehlungen ist dies unmittelbar umsetzbar. Von den Ergebnissen können in Deutschland damit 1400 sekterzeugende Betriebe – davon 95 % kleinere und mittlere Betriebe –, 24.000 Weinbaubetriebe, rund 170 Weinkellereien sowie über 200 Genossenschaften profitieren.

  • Projektbeteiligte


    Forschungsstellen:

    Industriegruppe:
    • Verband Deutscher Sektkellereien e.V. (vds), Wiesbaden
    • Deutscher Weinbauverband e.V. (dwv), Bonnn

    (Stand: Oktober 2016)




Forschungsvorhaben AiF 16627 N "Schnellerfassung von Aromavorstufen in Traubenmost und Sektgrundweinen mittels FT-MIR und ihre gesteuerte Freisetzung während der Gärung"

... ein Projekt der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF)


Förderhinweis